Adventurous Sounds @ Forum Wallis
2024, Walliser Bote (CH), 5.3.2024,
Andreas Zurbriggen
Einmal im Jahr verwandelt sich die
ehemalige Sommerresidenz der Walliser Bischöfe
in eine Klangkapsel, die das Publikum in
unerhörte Sphären entführt. Dann steht das Forum
Wallis auf dem Programm, ein Festival für
zeitgenössisches Musikschaffen. Über mehrere
Wochenenden wird das Festival an verschiedenen
Orten ausgetragen. Der Part in Leuk dauerte zwei
Tage. Für das erste Konzert des Abends reiste
das renommierte Bündner «Ensemble ö!» ins Wallis
und musizierte gemeinsam mit drei 12-jährigen
Schülerinnen der Primarschule Münster sowie dem
Duo «UMS ’n JIP» – das aus dem
Festivalleiter: dem Sänger und Komponisten
Javier Hagen sowie der Blockflötistin,
Komponistin und Sounddesignerin Ulrike
Mayer-Spohn besteht. Eine Klangreise in
imaginäre intergalaktische Räume bot gleich das
erste Stück des Abends: «Subtle Oscillations»
des japanischen Komponisten Shintaro Imai aus
dem Jahr 2017. Computergenerierte Sounds
kreierten ein sinnlich ansprechendes Kontinuum,
in das die drei Schülerinnen Linda Johanna
Keller, Inês Leite und Jana Sophia Schmidt
zusammen mit dem Duo «UMS ’n JIP» subtile
Blockflötenklänge sowie Luft-, Stimm- und
Pfeifgeräusche hineinwoben. Unaufdringliche,
tranceartige Musik vom Feinsten! Oder wie es der
Dichter Stefan George formuliert hätte: «Ich
fühle Luft von anderem Planeten.» Die halbe 6.
Primarklasse von Münster erhielt in den letzten
Wochen von Ulrike Mayer-Spohn und Javier Hagen
an zehn Dienstagen Einblicke in die Klangwelt
der Neuen Musik. «Es ist enorm wichtig, dass
junge Leute ihre Ohren öffnen und sensibilisiert
werden», sagt Mayer-Spohn zu diesem
Vermittlungsprojekt. An die ungewohnten Klänge
und Geräusche tasteten sich die Schülerinnen und
Schüler durch Hör- und Wahrnehmungsübungen, aber
auch durch das Spielen der Blockflöte heran. Am
Konzert in Leuk mischten letztlich nur drei
Schülerinnen mit. Eine davon: Inês Leite.
Mithilfe von Youtube-Videos brachte sie sich das
Ukulele-Spiel selbst bei. Basierend auf seinem
instrumentalen Können komponierte das Duo
«UMS ’n JIP» eine musikalische
Sehnsuchtslandschaft, zu der Inês Leite
Akkord-Patterns beitrug, die sie auf der Ukulele
spielte. Vor dem inneren Auge öffneten sich bei
dieser Musik weite US-amerikanische
Landschaften, eine Musik, die Ähnlichkeiten mit
Werken des US-Amerikaners Bryce Dessner aufwies.
Einziger Wermutstropfen: Diese Musik mit beinahe
psychedelischer Wirkung hätte unendlich
weitergehen können. Sie endete etwas gar abrupt.
Ebenfalls als Solistin trat die Schülerin Jana
Sophia Schmidt auf. Im Stück «Mond» des
Schweizer Komponisten Roland Moser agierte sie
gekonnt mit dem Violinisten David Sonton
Caflisch und der Bratschistin Maria Kropotkina
des «Ensemble ö!». Was für eine einmalige
Chance, bereits als 12-Jährige mit zwei
Profimusikern auf der Bühne zu stehen! Nicht
minder engagiert wirkte auch die dritte
Schülerin, Linda Johanna Keller, in den extra
für diesen Konzertabend eingerichteten Werken
mit. Als zauberhaftes Klanguniversum beschrieben
Linda Johanna Keller und Jana Sophia Schmidt
danach im Gespräch die Musik, in der sie
mitwirken durften. Inês Leite wiederum war vor
dem Konzert noch ziemlich aufgeregt. «Beim
Spielen wurde ich dann jedoch ruhig und bin nun
sehr glücklich, dass ich gemeinsam mit
professionellen Musikern mitspielen durfte», so
die 12-Jährige. Mit einem Trumpf konnten die
neun Mitglieder des «Ensemble ö!» noch
aufwarten: der Uraufführung des Werkes «fÖ» von
Ulrike Mayer-Spohn. Die Musik, die sich
jeglicher klassischer Dramaturgie verweigerte,
verströmte in ihrer Reduktion durch das
Umspielen von wenigen benachbarten Tönen eine
zarte, traumverlorene Poesie. Das Werk «fÖ»
entpuppte sich als Neue Musik in ihrer schönsten
Ausgestaltung.
Adventurous Sounds @ Forum Wallis
2024, 5 against 4 (UK),
13.3.2024, Simon Cummings
The instrumental part of
Forum Wallis included five events. One of
these involved students from the nearby
Münster region, alongside Ensemble
ö! and duo UMS ‘n
JIP (comprising Javier Hagen as vocalist
and recorder player Ulrike Mayer-Spohn), in a
concert titled “Form and Colours”. It was an
apt title, as the six works performed all
utilised sound colour as the basis for music
that was primarily textural. These textures
were embellished, and occasionally enhanced,
by a random array of rumbles and whistles
contributed by strong winds outside the
castle. This was particularly the case
in Shintaro Imai‘s Subtle
Oscillations, a work where live and electronic
sounds were seamlessly blended. Indeed, at
different points they each sounded like an
extension of the other, revealing inner pitch
details with varying clarity as the density
fluctuated. The nature of the sounds was
similarly characterised, melding obviously
electronic noises with not merely acoustic
sounds but evocations of the natural world, to
create a music continually at a liminal point
between a host of interpretations of ‘real’
and ‘artificial’. On previous occasions i’ve
been deeply impressed by Ulrike
Mayer-Spohn‘s music, and i was again by her
new piece fÖ, receiving its première.
Subtlety and restraint seem to characterise
the soundworlds she likes to explore, and
in fÖ the emphasis was on a delicate
pitch environment, beginning from a chord
materialising from nothing, where all notes
seemed to be slowly rising. It became
immersive, enveloped and surrounded on all
sides by slow, suspended tones that
continually formed new relationships,
sometimes congregating together, other times
more spread out, and occasionally coalescing
on a unison. As with some of her previous
work, there was the impression of an
underlying process at work, yet one given a
great deal of time and freedom to play out.
One of the most striking pieces in the concert
was Roland Moser‘s Mond, a miniature
for three strings (with student Jana Sophia
Schmidt as soloist) revolving around the folk
tune ‘Au clair de la lune’. Here was another
example of the outside elements being
seemingly mirrored inside, with various notes
of the tune initially obscured by harmonics
before being more thoroughly erased, as if the
notes had been blown or scoured from the page.
It was like listening to an eroded old
recording, battered and damaged, reduced to
hauntological vestiges of an idea of a song.
The wind also felt pertinent in Anton
Svetlichny‘s Identity, which closed the
concert, throwing us into a wall of noise
seemingly channelled from what was beyond the
castle walls. Clarified into a cloud of
discrete actions, the impression was that the
performers had become so many parts of a vast
acoustic machine, the output of which
comprised varying strengths of wind blown on
and through it. The timbral complexity was
marvellous, a continual, volatile tilting
between pitch and noise such that they became
one and the same.
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